#2. Erwachsenenschutz-Gesetz #Erwachsenenvertreter statt #Sachwalter: Mehr Entscheidungsfreiheit und Gestaltungsmöglichkeiten für jene, die Hilfe und Unterstützung brauchen ab 1. 7. 2018
Erwachsenenvertreter statt Sachwalter: Mehr Entscheidungsfreiheit und Gestaltungsmöglichkeiten für jene, die im Rechtsverkehr auf Hilfe und Unterstützung angewiesen sind
Am 30. 3. 2017 hat der Nationalrat das 2. Erwachsenenschutz-Gesetz beschlossen, das am 1. 7. 2018 in Kraft treten wird.
Ziel des Gesetzes ist es, die Vorgaben der UN-Behindertenrechtskonvention zu erfüllen und die überschießende Beschneidung der Handlungsfreiheit vertretungsbedürftiger Personen zu beseitigen sowie die Autonomie zu betreuender Personen zu stärken. Bestehende Vertretungsbehelfe, die die gerichtliche Rechtsfürsorge ersetzen können, wie die Vorsorgevollmacht oder die Vertretungsbefugnis nächster Angehöriger (künftig: gesetzliche Erwachsenenvertretung) werden ausgebaut und besser kontrolliert. Mit dem gewählten Erwachsenenvertreter wird eine zusätzliche Alternative zum gerichtlich bestellten Sachwalter (künftig: gerichtlicher Erwachsenenvertreter) geschaffen.
Wie bereits im Zuge des Erbrechtsänderungsgesetzes 2015, hat der Gesetzgeber auch anlässlich der vorliegenden Reform die Terminologie der einschlägigen Bestimmungen des ABGB verständlicher und zeitgemäßer gefasst. Erstmals wird vom Gesetzgeber der Begriff der Geschäftsfähigkeit (Handlungsfähigkeit) definiert, die darin besteht, dass jemand „die Bedeutung und die Folgen seines Handelns im jeweiligen Zusammenhang verstehen, seinen Willen danach bestimmen und sich entsprechend verhalten kann“ (Entscheidungsfähigkeit). Für Erwachsene, deren Entscheidungsvermögen aufgrund einer psychischen Krankheit oder vergleichbarer Umstände beeinträchtigt ist, kann vom Gericht ein Vertreter bestellt werden. Damit ist jedoch nicht der automatische Verlust der Handlungsfähigkeit im gesamte Wirkungsbereich des Vertreters verbunden. Primär soll der Erwachsenenvertreter danach trachten, den Vertretenen zu einer möglichst selbstbestimmten Besorgung seiner Angelegenheiten zu bewegen. Im Unterschied zu bisher, kann die Handlungsfähigkeit nicht mehr schematisch in Bezug auf alle oder bloß allgemein umschriebene Arten von Angelegenheiten entzogen werden. Das Gericht hat jene rechtsgeschäftlichen oder verfahrensrechtlichen Handlungen, für die es den Entzug der selbstständigen Entscheidungsbefugnis anordnet, bestimmt zu bezeichnen (sog. Genehmigungsvorbehalt). Das hat nur dann zu geschehen, wenn es die Abwehr einer ernstlichen und erheblichen Gefahr für den Vertretenen erfordert. Der Erwachsenenvertreter kann vom Gericht überhaupt nur für einzelne oder gegenwärtig zu besorgende und bestimmt zu bezeichnende Angelegenheiten bestellt werden. Die Bestellung erfolgt befristet und ist nach Erledigung der Aufgaben zu beenden.
Nach den Einschränkungen, die der Gesetzgeber der gerichtlichen Erwachsenenvertretung auferlegt, ist diese nur noch als wenig praktikable Ultima Ratio zur Behebung fehlender Vertretung konzipiert. Damit steigt die Bedeutung alternativer Instrumente, um für den Vertretungsbedarf im Alter vorzusorgen. Für Personen, die die volle Entscheidungsfähigkeit zur Errichtung einer Vorsorgevollmacht nicht mehr aufbringen, wurde die Möglichkeit geschaffen, vor einem Notar, Rechtsanwalt oder Erwachsenenschutzverein einen gewählten Erwachsenenvertreter zu bestimmen. Die Angelegenheiten, deren Besorgung dem Genehmigungsvorbehalt des Vertreters unterworfen werden, können darin allgemeiner als für den gerichtlichen Vertreter umschrieben werden, was den Rechtsverkehr erleichtert. Davon kann allerdings nur Gebrauch machen, wer die Bedeutung und Folgen der Bevollmächtigung zumindest in Grundzügen noch erkennen und danach entscheiden kann. Hegen die Mitwirkenden Zweifel am Vorliegen dieser Voraussetzung, haben sie die Teilnahme abzulehnen. Bei begründetem Verdacht einer Gefährdung des Betroffenen haben sie – ungeachtet ihrer beruflichen Verschwiegenheitspflicht - das Pflegschaftsgericht zu verständigen. Im Unterschied zum Vorsorgebevollmächtigten hat der gewählte Erwachsenenvertreter dem Gericht laufend zu berichten und Rechnung zu legen. In Teilbereichen wurde auch die Kontrolle des Vorsorgebevollmächtigten verschärft. Strittige Fragen einer medizinischen Behandlung sowie über eine Sterilisation, medizinische Forschung oder eine Änderung des Wohnortes darf auch der Vorsorgebevollmächtigte nur mit Genehmigung des Gerichtes entscheiden. Im Zuge der EU-Erbrechtsverordnung wurden Befürchtungen laut, ein Vorsorgebevollmächtigter könne sich durch das Verbringen seines Schützlings ins Ausland ein vorteilhafteres Erbrecht sichern. Dieser Gefahr baut das Gesetz vor.
Kritisch ist zu vermerken, dass sich die Diskriminierung von Behinderten weder durch legistische Behübschung noch durch den Abbau von Schutzvorschriften beseitigen lässt. Dass ein Begriff (Sachwalter oder Erwachsenenvertreter) abwertende Vorurteile konnotiert, ist regelmäßig eine Folge der gesellschaftlichen Anschauungen und nicht der Wortwahl. Ob es praktikabel ist, dass die Handlungsfähigkeit nur mehr für bevorstehende und konkret zu umschreibende Rechtsgeschäfte entzogen werden darf (Genehmigungsvorbehalt), wird sich weisen. Aus ärztlicher Sicht werden auch Bedenken am Konzept des gewählten Erwachsenenvertreters geäußert. Eine medizinische Untersuchung ist für die Bestellung keine Voraussetzung. Juristen und Erwachsenenschutzverbänden fehlt aber das notwendige medizinische Fachwissen für die Einschätzung, ob der Betroffene die Bedeutung der Bevollmächtigung zumindest in noch in groben Zügen erfassen kann oder nicht.